Ballroom

 

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Der Tänzer im Visier – Fotografie und Tanzsport: Blitzen, indirekt.

Text: Helmut Römhild       Fotos und Grafik: Helmut Römhild

 


Tänzer werden gern geblitzt – und am liebsten ’um die Ecke‘...

Wer beim Turniertanzen fotografiert, zielt natürlich vor allem auf das Paar im Wettkampf.
Aber die Beleuchtung der Tanzfläche ist meist schlecht bis “vergiß‘ es”. Und der Fotograf muß sein eigenes Licht mitbringen – den Blitz.

Indirekt zu blitzen bedeutet, den Lichtstrahl von der Decke zu reflektieren anstatt ihn direkt auf die Person zu richten. Das funktioniert auch mit einer Wand und sogar mit einem weißen T-Shirt. Meistens jedoch wird die Decke benutzt, weil sie frei und unverstellt ist.

Aufnahmen, die mit indirektem Blitz gemacht wurden, sehen einfach besser aus – so gut, daß der indirekte Blitz quasi als Patentrezept für tolle Bilder angepriesen und angewendet wird.

Leider kann von ‘Patentrezept’ keine Rede sein,

denn tatsächlich ist das indirekte Blitzen eine recht knifflige Sache.

 


Was passiert überhaupt beim indirekten Blitzen gegen die Decke?

Der Lichtkegel wird von der Decke reflektiert, im gleichen Winkel, in dem er auch die Decke trifft. Dazu wird der Blitzkopf gegen die Decke geschwenkt und in einem bestimmten Winkel festgestellt, dem Neigungswinkel.

Wird der Blitz ausgelöst, breitet sich ein Lichtkegel aus in einem bestimmten Abstrahlwinkel.

Flash Bouncing Basics

Die Höhe der Decke und der Neigungswinkel des Blitzes legen fest, wo der Lichtkegel auf den Boden trifft:

•  Deckenhöhe 5 Meter, Neigungswinkel 60 Grad: Ein Lichtkegel von 23 Grad trifft in 3,30 Meter Entfernung von der Kamera auf den Boden.

•  Deckenhöhe 7 Meter: Der Lichtkegel beleuchtet den Boden jetzt etwa in 4,70 Meter Entfernung.
•  Deckenhöhe 5 Meter, Neigungswinkel 55 Grad: Der Lichtkegel ist jetzt etwa in 4,30 Meter entfernt.

 


Nach oben schwenken – aber richtig!

Ob der Neigungswinkel 60 oder 55 Grad beträgt macht einen deutlichen Unterschied, nämlich 1 Meter – und zwar 1 Meter Licht oder Schatten.
Dies kann ohne weiteres der Unterschied sein zwischen gut beleuchteten Tänzern oder einem ‘schwarzen Loch’.
Meist sitzt der Blitz oben auf der Kamera.

Dann kann dieser 5-Grad-Fehler bereits auftreten, wenn der Fotograf einfach nur die Kamera bewegt, um einen besseren Bildausschnitt zu bekommen.

Und wer weiß schon, wie hoch die Decke wirklich ist. Wer kann den Unterschied zwischen 5 und 7 Metern sicher erkennen?

Flash Bounce Miss

Ich denke, daß viele indirekte Blitze die Personen nicht wirklich treffen.
Vielmehr wird die Personen direkt beleuchtet, und zwar durch das Randlicht des Blitzlichts.
Randlicht ist ein Teil des Lichtblitzes, der über die Kanten des Reflektors kommt und sich horizental ausbreitet, selbst wenn der Blitzkopf hochgeschwenkt ist.

Randlicht kann sehr kräftig sein und ist eine ärgerliche Sache.
Erfahrene Fotografen wollen den Effekt kontrollieren und schirmen das Randlicht durch sogenannte Gobos ab.
Das sind schwarze Plastik- oder Pappteile, die am Blitz befestigt werden und die Personen vor dem Randlicht schützen.

 


Fotografie und Tanzsport.

Kameras verfolgen die Tänzer, Blitzlichter von allen Seiten: Völlig normal selbst für die kleinsten Veranstaltungen.
Tänzer zu fotografieren hat die unterschiedlichsten Gründe:
als nette Erinnerung, um später den Auftritt zu analysieren, für die Presse oder die Websites der Vereine.

Aber alle, die eine Kamera benutzen, haben etwas gemeinsam: Sie wollen das bestmögliche Ergebnis – weil jede Veranstaltung einzigartig ist und sich nie so wiederholen wird.

In einer Reihe von Artikeln wird ‘Ballroom’ ausgewählte Themen der Tanzsportfotografie beleuchten.

 


Aber was genau wird denn nun beleuchtet?

Der Lichtkegel, der von der Decke herabfällt, beleuchtet einen genau begrenzten Bereich.
Es sind hauptsächlich die Deckenhöhe und der Abstrahlwinkel des Lichtkegels, die diesen Bereich bestimmen.

Den Abstrahlwinkel auswählen:

Der Abstrahlwinkel hängt mit der Einstellung des Blitzreflektors zusammen, der sogenannten ‘Brennweite’.
Ein Nikon SB 26 zum Beispiel kann auf folgende ‘Brennweiten’ eingestellt werden: 85, 70, 50, 35 , 28 and 24 mm.
85 mm erzeugt einen sehr engen Lichtkegel mit kleinem Abstrahlwinkel, 24 mm einen weiten Kegel mit großem Winkel.

Ein weiter Lichtkegel erzweugt eine große beleuchtete Fläche, das Licht ist aber leider eher schwach.
Gerade aber beim indirekten Blitzen wird soviel Licht wie irgend möglich gebraucht und deshalb auch der engste Lichtkegel.

Ein Nikon SB 26 kann zum Beispiel wie folgt eingesetzt werden:

•  ‘Brennweite’ auf 85 mm.
•  Der Blitz wird gegen die Decke geschwenkt, die 5 Meter entfernt ist, und zwar ...
•  mit einem Neigungswinkel von 60 Grad.
Die beleuchtete Bodenfläche ist 5,50 Meter tief und ca. 6 Meter breit.

Was davon kann der Fotograf nutzen? Die Lichtzone!

Angenommen, eine stehende Person benötigt 2 Meter ‘Kopffreiheit’, dann verbleibt vom beleuchteten Bereich ein Teil von knapp 4 Metern Tiefe und 5,50 Metern Breite.

Und nur dieser Teil des beleuchteten Bereichs – die Lichtzone – ist sinnvoll zu nutzen.

Light Area

 


Das dunkle Ende: ‘Abfallendes’ Licht – und was heißt das nun schon wieder?

Die Lichtverhätnisse in der Lichtzone werden durch die Blitzstärke des Blitzlichts und das Gesetz des ‘umgekehrten Quadrats’ bestimmt.
Dieses Gesetz beschreibt die Stärke von reflektiertem Licht.

Tatsächlich beschreibt das Gesetz, daß die Stärke von Licht, das von einer Person zurückgeworfen wird, in geradezu erschütterndem Ausmaß immmer schwächer wird, je weiter die Person von der Kamera entfernt ist.

Fall Off

Welche Körperteile der Tänzer gut oder schlecht beleuchtet werden hängt davon ab, wo in der Lichtzone sie sich gerade aufhalten. Denn innerhalb der Lichtzone sind die Lichtverhältnisse sehr unterschiedlich und der Lichtabfall erzeugt diagonale ‘Streifen’ unterschiedlicher Intensität.

Natürlich passiert der Lichtabfall gleitend und nicht in Schritten oder Streifen wie in dem Beispiel, was aber am Grundsatz nichts ändert:
Ein Nikon SB 26, der auf 70 mm ‘Brennweite’ eingestellt ist, erzeugt eine Lichtstärke von Leitzahl 48.
Ein Fotograf, der aufrecht steht und den Blitz oben auf der Kamera verwendet, blitzt etwa aus 2 Metern Höhe mit einem Neigungwinkel von 60 Grad zur Decke.

Wir könnten jetzt ausrechnen, mit welcher Blendenöffnung ein Fotograf das reflektierte Licht fotografieren kann – aber ...

Das dunkle Ende – dunkler als man glaubt ...

Es gibt keine Decke, die Licht perfekt zurückwirft, vielmehr verschlucken Decken häufig mehr Licht als sie reflektieren. Das trifft auch zu für Haut und Kleidung von Menschen.

Um die Auswirkungen von Absoption und Streuung zu simulieren verwenden Fotografen gern Blenden, die 2 Öffnungen größer sind als berechnet, damit noch mehr Licht in die Linse kommt.

Damit ergeben sich für das Beispiel die Werte f/5.6 vorn in der Lichtzone und f/3.5 hinten, wie das folgende Diagramm zeigt (für ein 50 mm 1.4 Canon Objektiv):

Fall Off Example

 


Tänzer und Dämonen: Was Licht von oben anrichten kann.

Der Indirekte Blitz erzeugt eine recht große und ‘weiche’ Lichtquelle. Doch auch sie ist letztendlich ‘direkt’ und trifft die Personen in einem steilen Winkel.
Nur diejenigen Oberflächen, die mehr horizontal stehen als vertikal, können dieses Licht zur Kamera zurückwerfen. Der Rest einer Person bleibt dunkel!

Die 3-D Simulation rechts zeigt die Auswirkungen und macht deutlich, wie ein Körper und ein Gesicht beleuchtet werden.

Tiefe Schatten in den Augenhöhlen und unter den Wangenknochen erzeugen einen dramatischen, wenn nicht gar dämonischen Effekt. Und es wird deutlich, daß der Blitz allein nicht ausreicht.

Zusätzliche Beleuchtung ist nötig, um die dunklen Partien der Person auszufüllen und sie attraktiv in’s Licht zu setzen.

Light From Above

 


Unterm Strich: Ein paar Spielregeln.

•  Der Blitz sollte allein stehen.
Nur so kann der Neigungswinkel kontrolliert werden, nur so bleibt die Lichtzone dort, wo sie sein soll.
Und nur so kann trotzdem die Kamera frei bewegt werden.
Der Blitz kann auf einem Stuhl oder einem niedrigen Stativ stehen, dicht am Boden: Der Lichtkegel wird länger und dadurch die Lichtzone größer
•  Der Blitz allein reicht nicht aus. Es müßen andere Lichtquellen vorhanden sein, die jene Partien beleuchten, die der indirekte Blitz nicht erreicht. Nur so kann der ’Dämonen-Look‘ vermieden werden.
•  Die Lichtzone sollte etwa 3,70 tief sein bei 2 Metern Höhe, dabei etwa 3,30 Meter von der Kamera entfernt beginnen und in 7 Metern Entfernung enden.
Der Grund: Diese Lichtzone deckt die Tiefenschärfezone eines 28 mm Objektivs ab (beschrieben in einem früheren Artikel.)
Diese Tiefenschärfezone zusammen mit entsprechendem Licht macht es möglich, Tänzer in Bewegung zu erfassen und gleichzeitig ausreichend zu beleuchten.

•  Probeaufnahmen einer Person innerhalb der Lichtzone sind wichtig, um die genauen Blendenwerte zu ermitteln.
Dabei nicht vergessen, daß der hintere Bereich der Lichtzone dunkler ist und die oberen Partien von Personen das meiste Licht bekommen.
•  Entfernungen sollte man messen.
Natürlich können die Einstellungen auch durch Versuche ermittelt werden, doch der gute alte Laser- oder Ultraschall-Entfernungsmesser ist immer das Beste, wenn’s um die genaue Deckenhöhe geht.
Will man es genau wissen, dann geht’s nicht ohne Zahlenspielerei und ein paar Berechnungnen sind schon nötig, um den Neigungs- und Abstrahlwinkel zu ermitteln.

Hier ist ein Beispiel für einen Blitzaufbau, die Blendenwerte gelten für ein 50 mm 1.4 Canon Objektiv. Dazu noch einige Daten für weitere mögliche Zusammenstellungen, die alle in etwa die oben genannte Tiefenschärfezone abdecken (Angaben in Metern).
Bitte beachten: Bei einer Deckenhöhe von 7 Metern wäre ein Nikon SB 26 zu schwach und es wurde mit einem Metz Blitz der Leitzahl 70 gerechnet.

Bounce Setup Model

Bounce Setup Table

 
 

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Aktualisiert: 31.08.2010